Thimm, K.: Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen. Exemplarische Überlegungen zu Startphasen in professionsverbindenden Jugendhilfe-Angeboten „an anderen Orten“

1 Einführung und Überblick

Die Kooperation von Schule und Jugendhilfe gilt in Berlin, ausgehend von einem maximal mittleren Niveau im Vergleich mit anderen Bundesländern, als ein jugendhilfe- und bildungspolitisch hoch gewichtetes Ausbaufeld. So ist seit dem Herbst 2006 an 51 Hauptschulen im Land Berlin eine/e Jugendsozialarbeiter/in tätig. Schon vor der Überlastungsanzeige der Neuköllner Rütli-Schule wurde dieses komplett ESF-finanzierte Programm auf den Weg gebracht. Die EU-Finanzierung setzt den Rahmen: Es soll „um zusätzliche Aufgaben“ gehen, wobei der Arbeitsmarkt-, Berufs-, Qualifizierungsbezug zu wahren ist. Die fachliche Ergänzung der Jugendhilfe soll sich auf folgende Bereiche erstrecken:

– individuelle Hilfen,

– außerschulische Lebenssituationen der Schüler/innen,

– außerschulische Partner und Lernorte,

– Kommunikations-, Erfahrungs- und Experimentierräume für Jugendliche an der Schule.

Als Kernleistungen von Jugendsozialarbeit an Hauptschulen gelten laut Vorgabe des Berliner Bildungs- und Jugendsenats mit Blick auf vier Zielgruppen bzw. -ebenen:

Schüler/innen mit besonderem Unterstützungsbedarf

– Lebensweltbezogene Schülerberatung, offene Gesprächs- und Kontaktangebote

– Vertiefte Unterstützung Einzelner (z.B. bei Schuldistanz)

– Berufsbezogene Orientierung und Einmündungsbegleitung

– Stärkung von Selbstkompetenzen (zwecks Verringerung vermittlungshemmender Faktoren)

Lehrer/innen

– Beratung von Lehrer/innen

Schule

– Mitwirkung in Gremien

Eltern

– Zusammenarbeit mit, Aktivierung von Eltern

 

Die Jugendsozialarbeit an Schule liegt in freier Trägerschaft. Eine befürwortende Stellungnahme des Jugendamtes zur Standortkooperation zwischen Schule und Träger, ein Kooperationsvertrag zwischen Träger und Schule, das Einverständnis der Schule zur Zusammenarbeit und zum eigenen Ressourceneinsatz (Lehrerstunden; Raum mit Ausstattung) war mit dem Antrag des Jugendhilfeträgers einzureichen.

 

In meinem Beitrag setze ich in der Folge diese Schwerpunkte. Zuerst will ich Entwicklungen an Berlins Hauptschule nachzeichnen, um von hier erste Fragen zu einem Einsatz der Jugendsozialarbeit zu skizzieren. Zweitens werde ich einige Schwächen aus Antragskonzepten der Jugendhilfe aufzeigen, um Anregungen zur Konzeptqualität von Jugendsozialarbeit an Schule zu geben. Drittens möchte ich Berufsorientierung als Thema zwischen Schule und Jugendhilfe systematisieren, um dann eigenständige Beiträge der Jugendhilfe zu akzentuieren. Ich komme im Weiteren zu einem Fazit, das womöglich nicht abschließbare Herausforderungen an die Jugendsozialarbeit abbildet. Ich ende mit zwei Beispielen guter Praxis.

 

2 Schulische Antworten auf Funktionsstörungen an Berliner Hauptschulen

Zwischen Hauptschulen in Aurich und Mainz, Augsburg und Tübingen hier sowie solchen in Berlin auf der anderen Seite gibt es neben Gemeinsamkeiten auch Unterschiede. In Berlin ist die Hauptschule in einem Umfeld von fast 20% offizieller Arbeitslosigkeit mit weniger als 10% Besucher/innen eines Schülerjahrgangs definitiv „Restschule“. Für „Rütli“ gilt: 70% der Familien müssen ihren Lebensunterhalt aus Transfereinkommen oder geringem Verdienst bestreiten. Pro Absolventenjahr findet gerade einmal jeder fünfzehnte bis zwanzigste junge Mensch im Anschluss an die Schule eine Ausbildungsstelle auf dem freien Markt. Das spiegelt nicht nur ein Passungsproblem zwischen Abgänger/in bzw. Bewerber/in und Markt.

 

Die Rütli-Schule ist nicht untypisch für die Berliner Verhältnisse, aber auch nicht symptomatisch. Unterscheidbar sind selbst in Berlin Hauptschulen

– mit großer und fast unüberwindbarer Problembelastung sowie mit

– hoher, mittlerer und geringer Entwicklungsbereitschaft.

Welche Schulen erweisen sich als besonders anschlussfähig an das neue Programm? Es sind nach meiner Erfahrung Schulen,

– die pädagogische Motivation und Fähigkeiten und nicht nur unterrichtsfachliche Ambitionen und Qualitäten im Kollegium abrufen können,

– deren Klima von Freundlichkeit, Phantasie, Ehrgeiz geprägt ist,

– die in Teams arbeiten,

– die demokratisch gesteuert sind und Verantwortung auf viele Schultern verteilen,

– die einen Schulprogrammsockel nicht nur auf dem Papier erreicht haben, so dass nunmehr Verfeinerung und Fortschreibung angezeigt sind,

– die sich mit den sozialen, kommunalen, wirtschaftlichen, kulturellen Umfeldern beschäftigen,

– die sich in der Schulszenerie umgeschaut haben und mit anderen Schulen in Kontakt sind,

– die sich Außenunterstützung organisieren.

 

Schulen sind hochgradig verschieden. Manche Schulen haben eine lange Kooperationstradition und sind von selbst in Bewegung. Dort wurden für die neue Jugendhilfe-Kollegin umgehend günstige räumliche Bedingungen geschaffen. Es bildete sich eine Konzeptgruppe, die das Antragskonzept auf Arbeitsebene ausbuchstabierte und die sozialpädagogischen Ergänzungen und Erweiterungen mit dem schulischen Handeln in Abstimmung zu bringen versuchte. An anderen Schulen lautete die zentrale Frage in der Gesamtkonferenz nach der Träger- und Konzeptpräsentation. „Kann ich denn nun die Störer zur Sozialarbeit verpflichten oder nicht?“.

Das vor zwei Jahren proklamierte „Arbeitsprogramm Hauptschule“ des Berliner Schulsenats (Verkündigung ist nicht identisch mit Vollzug!) bildet bedeutsame Schulentwicklungsforderungen der letzten Jahre aus Politik und Wissenschaft ab. Zwei Arbeitsrichtungen wurden den Schulen auferlegt: die Steigerung der (schrift)sprachlichen sowie mathematisch-naturwissenschaftlichen Fähigkeiten der Schüler/innen sowie Konzepte für die Qualifizierung personaler und sozialer Kompetenzen. Als Entwicklungsziele bis 2010 wurden formuliert: Senkung der Zahl der Schüler/innen ohne Abschluss um die Hälfte sowie Verdoppelung der Zahl der Schüler/innen, die im Anschluss an die Hauptschule einen Ausbildungsplatz erhalten (diese Maxime wird für das Jugendsozialarbeits-Programm als „Leuchtfeuer“-Richtziel wiederholt). Erreicht werden soll dies schulseitig u.a. auf diesen Wegen:

– Schulklima der gegenseitigen Wertschätzung, indem Schüler/innen durch Partizipation zu Beteiligten werden.

– Soziales und Werte-Lernen, was im Schulprogramm auszubuchstabieren ist.

– Fächerverbindender, anschaulicher, praxisorientierter Unterricht, der thematisch mit der Lebenswelt der Schüler/innen verknüpft werden soll.

– Errichtung von Sondergruppen nach den Modellen Praxislernen / Produktives Lernen.

– Vielfältige Formen der Berufsorientierung und der Unterstützung des Übergangs.

Als Spektrum der schulischen Aktivitäten für dieses Segment werden im Arbeitsprogramm dezidiert genannt:

a. Berufswahlpass

b. Partnerschaften Schule – Betriebe

c. Seminare zur persönlichen Zielfindung und Orientierung

d. Schülerfirmen

e. Eltern und Auszubildende als Expert/innen (Berichterstattung in der Schule)

f. Schüler/innen begleiten Erwachsene und Auszubildende an den Arbeitsplatz

g. Betriebserkundungen

h. Betriebspraktikum

i. Zusammenarbeit mit Berufsbildenden Schulen

j. Zusammenarbeit mit freien Trägern der Jugendhilfe

All dies sollte zunächst ohne Jugendsozialarbeit erreicht werden


3 Jugendsozialarbeits-Konzepte an Berliner Hauptschulen 

In Berliner Hauptschulen sind „ganze Klassen Problemgruppen“. Wie kann Jugendsozialarbeit angesichts der Herausforderungsschwemme Leistungsschwerpunkte bilden, also Spuren legen und Dämme bauen? Das ist für die Jugendsozialarbeit notwendig, um allererst Arbeitsfähigkeit zu ermöglichen. Es ist aber auch unabdingbar, um von Schul- und Schülerseite als transparente und berechenbare und nicht als willkürlich und beliebig tätige Profession und Person wahrgenommen zu werden. Von hier stellt sich die Frage nach Annahme- und Abwehrstrategien, die reflektiert, regelgeleitet, nach Möglichkeit auch nachvollziehbar sein müssten. „Gehändelt“ werden muss also das (potentielle) Allzuständigkeits- und Unendlichkeitsproblem von Jugendsozialarbeit in Schule.

 

Wenn wir noch einmal an das schulische Arbeitsprogramm und an die schulische Seite der Berufsorientierung denken, frage ich weiter: Wie soll eine Aufgabenzuerkennung an die Professionen begründet und wie soll die arbeitsteilige Durchführung gestaltet werden? Wer macht was? Was wird wem zugeordnet? Gibt es Domänen und Monopole oder kommt es zu Vermischungen und Verwischungen? Wird dieser Prozess der Delegation und der Übernahme von Teilaufgaben und Teilfunktionen gesteuert, und wenn ja, durch wen und wie? Ist es letztlich Zufall, welche Profession was abdeckt, indem Größen wie Können, Laune, zeitliche Abkömmlichkeit Einzelner regulierend wirken? Um für den hinter den Fragen steckenden Treibsand ein wenig festen Grund zu schaffen, wären standortbezogene Konzepte, Leistungsbeschreibungen und günstige organisierte Kommunikation gefordert, die in allseits bekannte schriftliche Aufgabenfestlegungen mündet. Auf der Person-Ebene ginge es u.a. darum, abgrenzungsfähig im Kontakt zu sein und Standfestigkeit im Selbstmanagement zu beweisen. Jedenfalls spielen Konzepte in diesem Prozess des Erhaltes der Arbeitskraft, aber auch der möglichst günstigen fachlichen Effekte eine erhebliche Rolle.

 

Ich habe nun acht von 51 Standortkonzepten durchgesehen. Leider wird zu den aufgeworfenen Fragen in den meisten Antragskonzepten weder auf der antizipierenden Planungs- noch auf der alltagsgerichteten Verfahrensebene Stellung bezogen. Das führt mich dazu, einige Anmerkungen zur Konzeptqualität entlang von identifizierten Leerstellen und Mängeln zu riskieren. Konzepte beinhalten zunächst lediglich Aussagen, die Zeugnis über die systematische Durchdringung des Gegenstandes sowie über die planerische Qualität ablegen. Eine Analyse von Konzepten sagt nichts darüber aus, ob der Alltag konzeptgetreu und kompetent gestaltet wird oder ob vor Ort ganz andere Linien handlungsleitend sind. Es ist zudem möglich, mit einem guten Konzepthintergrund schlecht zu arbeiten. Und es ist genauso denkbar, dass ein schwaches Konzept nicht daran hindert, im Alltag mit hohem Engagement und großem Geschick wirksam zu sein. Dennoch bilden gute Konzepte Reflexionskompetenz ab. Im Anhang dokumentierte Teilbereichskonzepte sowie Instrumente wie Checklisten und Verfahrensleitfäden erleichtern über die in ihnen angelegten Standardisierungen einen effizienten Umgang mit der Komplexität des Alltags und der ständig knappen Zeit.

 

In den mir vorliegenden acht Texten habe ich folgende Defizite festgestellt.

Fachliche Substanz

 

a. Erkennbarkeit von Jugendsozialarbeit

Nur verschwindend werden das Selbstverständnis und das Profil der Jugendsozialarbeit, gerade auch im Verhältnis zum schulpädagogischen Handeln, benannt oder gar analysiert. Wer bin ich (als Profession)? Was kann ich? Wie stehe ich zu der komplementären schulpädagogischen Fachlichkeit? Diese Fragen müssen bekanntlich beginnend mit dem ersten Tag an der Schule beantwortet, also geklärt, kommuniziert, ggf. feinjustiert werden.

b. Verbindungsstellen- und Schnittmengenreflexion (Zusammenspiel von Schule und Jugendhilfe) 

Dazu gehören:

– Präzisierung der neuen Qualitäten, also des Mehrwerts

– Aufgabenteilung zwischen Lehrer/innen und Jugendsozialarbeiter/innen

– Überlegungen, wie die Ergänzungsangebote der Jugendsozialarbeit mit der Schulentwicklung und dem Schulprogramm korrespondieren

 

c. Begründete Aufgabenreduktion

Die angebotenen Leistungen werden i.d.R. nicht aus übergeordneten Zwecksetzungen oder nachvollziehbaren Situationsanalysen abgeleitet, sondern tauchen auf, stehen puzzlehaft nebeneinander, verschwimmen in einem sozialpädagogischen Brei von „Überall-und-ein-bisschen-Dabei-Sein“. En passant schleicht sich die Palette schulsozialarbeiterischer Möglichkeiten in die Mehrzahl der vorliegenden Konzepte hinein. Unverzichtbar wäre ein realistischer, gewichteter Aufgabenkatalog des Jugendsozialarbeiters – hierarchisiert nach Prioritäten, Basics und Extras.

 

Konzeptqualität

 

d. Keine stringente Komposition und Hohlformeln

Ziele, Aufgaben, Prozesse und methodische Handlungsschritte werden begrifflich und in der Abfolgekomposition häufig durcheinander geworfen. Konzepte wirken dadurch nicht schlüssig entwickelt, sondern erschöpfen sich im Kreislauf der Sprachspiele. Nach konkretisierender Füllung verlangende Termini wie Hilfe, Förderung, Beratung, Partizipation, aber auch Frühzeitigkeit und Nachhaltigkeit eignen sich dafür in besonders ungünstiger Weise, verstärkt dann, wenn mit Sprache schlampig umgegangen wird bzw. Jugendhilfe ihr eigenes Gerede nicht ernst nimmt oder gar nicht weiß, was genau sie will.

 

e. Schwächen in der Zielformulierung

Überprüfbare Ziele und Differenzierungen nach Zielebenen sind nicht zu finden. Die Abnehmer/innen der Leistung können sich nicht auf gesicherte Zusagen beziehen, die hinreichend präzise sind.

– Ziele sind zu weit gefasst und damit unerreichbar. Nur ein Beispiel aus dem Berliner Oberschulbereich: „Abbrecher- und Ämterkarrieren werden weitestgehend verhindert / vermieden sowie die Abhängigkeit von Transferleistungen wird vermindert (wenn nicht gar überflüssig)“; „Befriedung des Brennpunktes, da die Jugendlichen Sozialkompetenzen erwerben und Probleme aufarbeiten können“.

– Ziele bleiben unkonkret. Jede/r kann sich dazu eigene Vorstellungen machen.

– Zielebenen und -qualitäten werden nicht unterschieden (Fernziel, Nahziel, Teilziel; Wirkungsziel, professionelles Handlungsziel u.ä.)

 

f. Fehlende Datenstützung von Ist und Soll

Konzepte sollen keine Idealsituationen, sondern Machbares entfalten. Selten werden programmatische Versprechungen mit Eingangsdaten und den zur Verfügung stehenden Ressourcen verknüpft. Wie viele Stunden- und Tagesschwänzer gibt es zu Beginn des Einsatzes von Jugendsozialarbeit? Welches Reduktionsniveau strebt man an? Wie viele Eltern müssen kommen, um die Beteiligung am Elternabend als erfolgreich zu bewerten? Mit wie viel Prozent der Arbeitszeit werden X und Y betrieben?

 

g. Umsetzungsdunkel – Leerstelle Methodik und fehlende Implementierungsplanung

Das Wie der Leistungserbringung verschwindet in einer Black Box. Man muss nicht vorab eine unumstößliche Zeit-, Aktions- und methodische Verfahrensplanung präsentieren. Aber man sollte wissen und beschreiben, wie man den Inaussichtstellungen von wünschenswerten Entwicklungen kleinstschrittig näher kommen will.

 

h. Fehlen von Praxisauswertungen und Bezugnahmen auf wissenschaftliche Studien

Hat man sich an anderen Standorten und in der Literatur über gute Praxis und Gelingensfaktoren informiert? Bilden Berliner Konzepte Erfahrungen der Träger ab, was sich bis dato in der sozialpädagogischen Praxis mehr oder weniger bewährt hat? Wird Lernen aus Scheitern zugegeben und fruchtbar gemacht? Zeigt man auf, wie Wirksamkeit überprüft wird? Auch solche Fragen sind mehrheitlich in Berliner Konzepten keine Inspirationsquelle für den Entwurf des eigenen Angebots.

 

Positiv erscheinen die Konzepte, die statt einem Wünschbarkeits-Bias zu verfallen eher dem Typus der Leistungsangebote zuzurechnen sind. Bessere Konzepte sind fachlich klarer und sie enthalten z.B.:

– Ein Rahmenkonzept, dem Arbeitskonzepte zu den Teilbereichen zugeordnet sind, die mit Schule gemeinsam entwickelt werden

– Definierte Leistungsbereiche mit Erläuterung dessen, was geliefert wird

– Relativen Genauigkeitsgrad hinsichtlich der Ziele und Ergebniserwartungen

– Angemessene Bescheidenheit mit einer ersten Hindernisreflexion

– Konkretisierende Abbildung von externen Praxis- und Trägererfahrungen (Lerneffekt-Sockel)

 

Man kann sich darauf heraus reden, dass Antragskonzepte keine Leistungsbeschreibungen sein wollen. Man kann auf den Verwertungskontext verweisen und darauf rekurrieren, dass Erstkonzepte dazu verfasst werden, den Zuschlag zu erhalten, und nicht um sozialpädagogisches Handeln zu steuern. Der Effekt allerdings ist mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass die sozialpädagogische Fachlichkeit sowohl in der Vor-Ort-Praxis als auch in der Reputation nach außen Schaden nimmt und das Gesamtprojekt von Anfang an auf unsicheren Füßen steht.

Die inhaltliche Erwartung, in Berliner Konzepten systematische Überlegungen zu Berufsorientierung und Übergang zu finden, wurde enttäuscht. Zwar wurde der andere Lernort Jugendberufshilfe ins Gespräch gebracht und berufskundliche Wissenserweiterungen wurden als wünschenswert deklariert. Die Chancen von Praxisklassen und die Potentiale von Werkpädagogik wurden annonciert. Und auch über Service Learning für den Sozialraum reflektierten einige Antragsteller. Ein systematisiertes Stufenkonzept war aber nicht zu finden.

 

4 Jugendsozialarbeit an Schule – Reflexion einer Startphase

Die Startphase der Jugendsozialarbeit an Hauptschulen in Berlin ist ein Lehrstück mit drei Kapiteln: a. Sie zeigt unaufhebbare Probleme; b. Sie spiegelt hausgemachte Schieflagen; c. Sie zeigt, dass die Arbeit in ein „zuerst und dann“ strukturiert werden muss, wobei verschränkt geplant, gehandelt, evaluiert werden muss..

Was macht die Arbeit ohne eigenes Dazutun kompliziert?

a. Ungünstige Strukturqualität (Ein-Menschen-Betrieb)

b. Kein klar umrissenes Aufgabenfeld (Profil steht nicht im Vorhinein fest; potentiell Libero für alles „Schwierige“; Reaktion auf Druck: „Können Sie mal kurz, mal schnell, …?“

c. Widersprüchliche Erwartungen (Lehrer/innen, Eltern, Amt, Träger, Schüler/innen …)

d. Überhöhte Erwartungen verschiedener Anspruchsgruppen

e. Unterschiedliche Zwecke und Fachlichkeiten von Schule und Jugendhilfe (Problem-, Methoden-, Zeit-, Erfolgsverständnisse), die zu übersetzen und zu verschränken sind

f. Starke Abwehr- und Delegationskräfte von Schule gegen alle „uneigentlichen“ Aufgaben (wie bei allen Systemen!)

g. Arbeit in der Fremde; Gaststatus; Lehrer-„Übermacht“

h. Angewiesenheit bei Zielerreichung auf Ko-Produktion (u.a. durch Schule)

i. Notwendigkeit gemeinsamer Bearbeitung gemeinsamer Themen (Eltern, Soziales Lernen, Förderung, Schulklima …)

j. Kein vorgegebener verbindlicher Rahmen (Ort, Zeit, Verfahrensabläufe) zur Klärung von Kooperationserfordernissen

 

Was sind veränderbare Schwachstellen?

Neben diesen strukturellen Hemmnissen und Gefährdungen sind im Zuge der Auswertung der ersten Praxiserfahrungen an den Standorten allerdings auch hausgemachte Mängel zu verzeichnen, die sich weitgehend aus den angezeigten Konzeptionsschwächen speisen:

a. Verzicht auf Bestimmung weniger Kernaufgaben (Verzettelung durch Nachgeben gegenüber akuten Anfragen – eine Rollenanlage zwischen „Bollwerk“ und Flexibilität ist angezeigt)

b. Kaum Entwicklung transparenter Leistungsbeschreibungen (Unberechenbarkeit in der Außenperspektive)

c. Selten überprüfbare Zieldefinitionen (Diffusität; „Märchenstunde“, d.h. konzeptionelle Begründungen für Einsatz werden unter der Hand in der Außendarstellung zum in Aussicht gestellten Ergebnis)

d. Geringschätzung von Wirkungsüberprüfung (mögliche Dimensionen: Nutzermenge, Akzeptanz / Zufriedenheit, qualitative Zielerreichung)

e. Nicht hinreichend besprochene Aufgabenverteilung und Koordinationsschwächen an Schnittstellen zu Schule (Abstimmungsbedarfe zu Lehrkräften und Sozialarbeiter/innen)

 

Konsequenzen für die Standorte

Die Aufgabenflut an Hauptschulen, die der Wahrnehmung und Bearbeitung harrt, ist unerträglich hoch. Unter diesen Bedingungen ist es für die Sozialarbeit an Schule ein Gebot der Professionalität, die eigene Arbeit als Fünfjahres-Projekt anzulegen. Mut zur Bescheidenheit bedeutet dann, einen Stufenplan mit Träger und Schule zu entwerfen, wann welche Baustelle offiziell eröffnet wird. Es wird im Alltag oft schwierig sein, die Finger von Themen zu lassen, die sich täglich auf die Tagesordnung drängen. Der leicht dahin gesagte Rat heißt dann: ignorieren ist besser als sich zu zerstreuen, alles ein bisschen zu machen, sich abends tot zu fühlen und trotzdem nur zu registrieren, was man alles wieder nicht geschafft hat. Jugendsozialarbeit an Hauptschulen im Jahr Eins ist eine Einladung zu erkennen, was prinzipiell sowieso nicht und was heute nicht von Sozialpädagog/innen bewältigt werden kann. Welche nahe liegende Aufgaben sind in der Startphase zu bewältigen?

a. Platzfindung an Schule

Komme ich rein? Gehöre ich dazu? Bin ich hinreichend eigenständig und doch genügend angekoppelt?

b. Grundsätzliche Aufgabenklärung und Zuordnungsprozedere bei gemeinsamen Themen

Was tue ich (nicht)? Welche Aufgaben strebe ich aktiv an? Welche Aufgaben übernehme ich (teilweise), wenn sie an mich heran getragen werden? Wo sage ich rigoros „Nein“? Wie werden gemeinsame Aufgaben sinnvoll zwischen den Professionen zergliedert und dann wieder zusammengeführt, so dass gemeinsame Ergebnisse entstehen?

c. Zusammenspiel von Konzept-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität

Wie können wir als Träger die Konzeptqualität steigern? Wie können bei der Strukturqualität Minimalstandards gesichert werden? Welche Prozessstandards sind nicht hintergehbar? Und welche Ergebnisse verspreche ich nach innen und außen (angesichts der Polarität von Heilsbringer „Endlich kommt Sozialarbeit“ und Enttäuschungsherd „Na, wenn das alles ist, was Sie zu bieten haben …“)?

d. Selbstschutz / Burn out-Prophylaxe

Wie muss ich mich „einstellen“, um nicht zerrissen zu werden? In welchen Währungen muss ich denken, um meine Arbeit als sinnvoll und einigermaßen erfolgreich zu definieren?

 

5 Fazit

Schulbezogene Jugendhilfe hat sich als Kooperationsfeld zwischen Jugendhilfe und Schule in den letzten Jahren auch in Berlin in sehr unterschiedlichen Strukturen und mit auseinander gehenden standort- und trägerspezifischen Konzepten entwickelt. Die schulbezogene Jugendhilfe ist noch lange nicht flächendeckend gesichert, aber pädagogisch mit Sinn gefüllt, im Gesamtsystem der Jugendhilfe angekommen und angenommen, bildungspolitisch hoch gewichtet und von den Schulen nachgefragt. Das Thema des Übergangs von der Schule in den Beruf gilt als ein Engagementfeld unter anderen. Für Jugendliche ist das Berufsthema attraktiv. Es wird mit Ängsten und Hoffnungen besetzt, ist biografisch akut relevant und ruft nach die Schulpädagogik ergänzenden erfahrungsorientierten Methoden sowie Schule erweiternden Lernorten. Jugendhilfespezifisch sind nicht nur Inhalte, sondern auch die Zwecksetzungen und Erbringungsarten. Die Jugendhilfe eignet sich deshalb für verstärktes Engagement am Thema, weil hier – wie auch beim sozialen Lernen – Bildungs-, Biografie-, Integrations- und Bewältigungsparadigmen zusammen kommen.

Die Angebote der Schulsozialarbeit / Sozialarbeit an Schule müssen sich nicht auf integrationsgefährdete Schüler/innen beschränken; aber für diese müssen sie wirksam sein. Die Verminderung von Exklusionsrisiken ist eine gemeinsame, vereinende Aufgabe von Schule und Jugendhilfe. Das trifft verstärkt auf untere Schulformen zu, die zwar formell dem Schulwesen zugeordnet sind, die sich aber im Sinne einer erzwungenen Umorientierung, mit schul- und sozialpädagogischen Ziel- und Methodenmischungen, als Teil der sozialpädagogischen Exklusionsvermeidung bzw. Inklusionshilfe definieren müssen. Die ganze Unternehmung „Stärkung und Qualifizierung“ wird allerdings zu einem „Illusionskartell“ (F. J. Krafeld), wenn wir keine Ausbildungs- und Arbeitsplätze bereitstellen können, die Jugendlichen echte Einstiegschancen eröffnen. Dann tragen auch keine Ressourcenorientierungen, Empowerment-Strategien, Vernetzungskonzepte, interkulturellen Trainings und Coolness Gruppen.

 

Können wir mit dem skizzierten Zwischenstand zufrieden sein? Ist das Profil gleichzeitig konturiert genug, um gesellschaftlich nützlich und als Profession nicht austauschbar zu sein, und weich genug, um passende Vor-Ort-Lösungen zu erzeugen? Berufsorientierung und Übergangshilfen sind aus meiner Sicht ein Thema mit Zukunft. Welche Anteile die schulbezogene Jugendhilfe übernimmt, ist an vielen Standorten noch offen bzw. womöglich nicht generalisierend zu dekretieren. Welche Aufgaben sehe ich für die Jugendsozialarbeit an Schule in der Republik, gerade auf dem Hintergrund der „frischen“ Berliner Erfahrungen?

 

a. Schärfung der Konzepte

Wir benötigen eine Schärfung der Grundpositionen in den Konzepten und ausgewiesene Formen der kriteriengeleiteten Selbstbeobachtung. Ich erwarte weiter konkrete Antworten auf Fragen wie: Wo wollen wir mit den Jugendlichen hin? Wie machen wir das genau? Was sind die Leistungen, deren Erbringung wir garantieren? Was sind spezifische Erfahrungen in unserer Arbeit? Was geben wir auf Grund dieser Erfahrungen auf, was gestalten wir neu? Usw. Entfallen könnte die Mehrzahl der „wilden Versprechungen“.

 

b. Funktionale Varianz reflektieren und Aufgabenüberflutung dämmen

Sozialarbeit an Schule gilt, je nach konzeptionellen Schwerpunkten, Personprägung durch die Fachkraft, Schulform und Schulstufe u.a.m., als multifunktionaler Beziehungs-, Beratungs-, Bildungs-, Geselligkeits-, Erholungsraum, der von je unterschiedlichen Nutzer/innen je individuell angeeignet wird. Die Praxis zeigt, dass die Aufgabenschwerpunkte und -zuordnungen an Standorten stark von den geäußerten Bedürfnissen und tatsächlichen Bedarfen der Jugendlichen mitbestimmt werden. Bolay / Flad (2006) belegten u.a. folgende Besetzungen bzw. Verwendungen der Jugendhilfe-Bezugsperson am Ort Schule durch die Adressat/innen:

– Sie kann Zeit erübrigen.

– Die Person ist über längere Zeiträume mit unterschiedlichen Kontaktintensitäten auf informellen Zugangswegen ansprechbar.

– Jugendliche erleben, dass sie den konkreten wie funktionalen Jugendhilfe-Raum mit einer Breite von Anliegen belegen können.

– Die Fachkraft wird als „Tor zur Welt“ mit brauchbarem Know How (hilfreiche Kontakte; Verweisungswissen …) wahrgenommen.

– Mit der Zuschreibung der Rolle von „anderen Erwachsenen“ (die sich von Lehrer/innen und Müttern / Vätern abheben) gehen Bestimmungsmerkmale wie Vertrauen, jugendkulturelle Sensibilität, respektvolle, sanktionsfreie Aushandlungsbezüge einher.

 

Ähnliche Ergebnisse der Nutzungsvarianz zeigt Streblows Untersuchung der Aneignung einer Schulstation an einer Berliner Hauptschule (2005). Unstrittiger Bestimmungskern ist die intermediäre, also moderierende Funktion der Jugendhilfe: zwischen Schule und jugendkultureller Lebenswelt sowie Lehrkräften und Jugendlichen, zwischen Jugendlichengruppen sowie Eltern, Kind und Schule. Die Schulstation, so zeigt die empirische Erkundung, erfüllt im Rahmen einer Zwei-Zonen-Kultur (schule dies und Jugendhilfe das) für je verschiedene Jugendliche Funktionen:

– der Exklusionsvermeidung (Annahme des Beziehungsangebotes, des Vertrauensprinzips, der sozialräumlichen Entlastungsfunktion und jugendkulturelle Raumbesetzung, als alternativer Aufenthaltsort gegen die Verführung zum Diebstahl im Supermarkt in Freistunden – „Chillen statt Klauen“);

– der Inklusionsvermittlung (etwa nach „Stress“ mit Lehrer/innen durch Animation von Perspektivenwechsel, durch Einbindung von Eltern nach einem Konflikt oder bei Cliquenstreit („Die klären das dann.“; „Deshalb bin ich denn auch zu Heiko gegangen und dann haben die das geregelt.; „Die Ratschläge sind gut.“);

– der Exklusionsverwaltung nach aktiver Herbeiführung des Aufenthaltes („Ich war mal wieder den ganzen Tag in der Schulstation.“; „Fast jeden zweiten Tag.“; „Ich war fast mein ganzes anderes Schuljahr in der Schulstation, hätt ich eigentlich übernachten können.“).

 

In einer Arbeitshilfe zur Zeitbudgetanalyse für Schulsozialarbeit wurden aus der Praxis 46 abgrenzbare Tätigkeitsbereiche definiert (vgl. Bolay u.a., 1999: S. 156). Eine „Mikropolitik am Arbeitsplatz“ (B. Müller) im bedarfsreichen und erwartungssicheren Feld Schule muss dazu führen, Arbeitszuschnitte auszuhandeln, Prioritäten zu setzen und ermöglichende Rahmenbedingungen zu sichern. Folgende bekannte Schritte sind notwendig:

– Schriftliche Definition und „Durchdeklinierung“ von Leistungen, Schlüsselprozessen und Zielen

– Kommunikation darüber mit der Lehrerschaft und Verteilung von Zuständigkeiten

– Abgrenzungshilfe und wachende Kontrolle durch Leitung des Sozialarbeits-Trägers

– Auswertung der Wirkungen, also der belegbaren Ergebniserwartungen und der Zufriedenheit bei den jungen Menschen

 

c. Interprofessionelle Verortungen und Abstimmungsprozesse zwecks Zuständigkeitsklärung

Meistens beklagt sich die Jugendhilfe darüber, dass Lehrer/innen Aufgaben ausscheiden und delegieren. Aber auch zu einem anderen Trend muss sich Jugendhilfe verhalten. Schul- und Sozialpädagogik geraten hier und dort an Grund- und Hauptschulen durcheinander, insbesondere dort, wo Schulen unter erschwerten Bedingungen lange ohne Jugendhilfe auskommen mussten. Eine Minderheit von Lehrkräften entwickelte sich mancherorts zu Familientrainings-, Konfliktmoderations-, Sozialkompetenz- oder auch Berufsorientierungs-Profis. Wie steht die Jugendhilfe dazu? Möchten wir alle Ansätze an Schule stärken, so dass diese ggf. selbst zum Beispiel Berufsorientierung möglichst realitäts- und erfahrungsnah, beurteilungsfrei, individualisiert, methodenplural, Eltern einbindend … anlegt? Nützt den Kindern und nützt der Jugendhilfe eine sozialpädagogisch angereicherte Lehrkraft („Sozialpädagogik light“ aus Lehrerhand)? Sollen Lehrer/innen das auch tun, was Jugendhilfe tut, solange es diese nicht im Zweier- oder Dreierteam an jeder Schule gibt (an manchen Schulen ist schulbezogene Jugendhilfe „zufällig“ vertreten und an anderen nicht)? Kurz: Manche Lehrer/innen machen fast das Gleiche wie Jugendhilfe-Fachkräfte – nur eben anders; denn Jugendhilfe, so die Selbstansprüche,

– „arbeitet tiefer“,

– ist für Integration und Bewältigungshilfe fachlich ausgebildet – „arbeitet also kompetenter“,

– kann qua Rolle unbelasteter auftreten (Rollenklarheit) – dürfte also „annehmbarer“ agieren,

– darf mehr Ressourcen für Benachteiligte erübrigen, gerade für kleine zeitfressende Schritte und aufwändige Umwege im Einzelfall.

Reicht das als professionspolitische und fachliche Schärfung? Und nützen diese Rahmungen und zielkonturierenden Deutungen den jungen Menschen?

 

Ich biete diese Unterscheidungsmerkmale an, ohne damit Alleinstellungsmerkmale zu reklamieren:

a. Jugendsozialarbeit beurteilt nicht und bietet qua Rolle die günstigeren Möglichkeiten für Vertrauen (und doch grenzt auch Jugendhilfe aus und gewinnt manchmal kein Vertrauen).

b. Jugendsozialarbeit kann ihre Angebote intensiver und genauer auf die Person abstimmen (und doch wird auch in der Jugendhilfe schematisiert, werden Menschen „über einen Kamm geschoren“, bestimmen Routinen das Tun).

c. Jugendsozialarbeit instruiert nicht, sondern ermöglicht Lernen in Erfahrungsgelegenheiten primär „by the way“ (und doch belehrt auch Jugendhilfe).

d. Jugendsozialarbeit motiviert, indem sie auf Ressourcen baut und „Schokoladenseiten“ hervor holt (und doch konfrontiert sie auch, bestreitet, wirkt gegen, fokussiert wunde Punkte).

e. Jugendsozialarbeit hat eine Drehscheiben- und Vernetzungsfunktion und überbrückt zwischen drinnen und draußen (und doch finden manche Sozialpädagog/innen den Weg vor die Bürotür nicht oder verbringen zu einem großen, wachsenden Teil Arbeitszeit „in Gremien“ unter Ihresgleichen statt mit Adressat/innen).

f. Jugendsozialarbeit verbindet die Sache (Drogen-, Schulden-, Berufsberatung usw.) immer mit Alltags- und Lebensbewältigungshilfen sowie biografiebegleitenden Fragen an Lebensentwürfe und Lebensgestaltung (und doch ist Jugendhilfe zu Recht vorsichtig, sich in das ganze Leben des Adressaten/der Adressatin einzumischen).

 

Was folgt aus dem Aufriss? Eine Jugendsozialarbeit, die nicht die Breite von schulsozialarbeiterischen Möglichkeiten bedienen will, muss zunächst für sich Themen ausschließen und womöglich auch die Funktionsfülle einengen. Weitere Einschränkungen liegen auf der Hand: Jugendsozialarbeit gehorcht selbstformulierten Prinzipien oft, aber nicht immer. Die Schulpädagogik ist anders als es sozialpädagogische Maximen spiegeln, aber es zeigen sich auch Schnittmengen in den Aufgaben. Und es können zwischen Prinzipien Spannungen auftreten, zum Beispiel zwischen den Funktionen „Vertrauensperson für die Klientel“ und „intermediäre Instanz“, zwischen „Kinderversteher“ und „Lehrerversteher“ (Praxisrede). Abstimmungsbedarfe sind und bleiben auf unabsehbare Zeit groß. Illusionär wäre es aber und damit weder möglich noch wünschenswert, konstitutive Rollenunklarheiten, aufgegebene Widersprüche und Dilemmata im interprofessionellen Verhältnis um den Preis von vereinfachenden Abspaltungen und damit unzulässiger Eindeutigkeit eliminieren.

 

d. Kooperation

Belastbare Kooperationsstrukturen entscheiden über das Gelingen. Bedingungen erfolgreicher Kooperation sind inzwischen empirisch nachgewiesen: Problemdruck mit Einsicht, selbst etwas tun zu müssen du wollen; Lösungsorientierung; Mehrwert für die Kerngeschäfte; Beziehungsgewinn; personale Entlastung in der Bewältigung des strapaziösen Alltags. Eine Implementierung hat systematisch zu erfolgen: kommunale interne Jugendhilfe-Schwerpunktsetzung mit Rahmenrichtlinien und Mantelkonzepten; Untersuchung der Lage an der Schule und im Sozialraum (Bedarfserkundung); Gewinnung von Schulleitung und eines Lehrerkerns; gemeinsame Zielaushandlung mit Mandatszuerkennung; Konzepterstellung mit Aufgabenausscheidung; informelle und formelle Kooperationsstrukturen mit festen Verabredungen mit Lehrkräften; Auswertungsprozedere. Praktikable Ansätze, Struktur- und Prozessqualität von schulbezogener Jugendhilfe „durchzudeklinieren“ und auszuweisen, liegen vor (vgl. Speck, 2006).

 

e. Erfahrungen zur Verfügung stellen

Mehr und mehr Akteure drängen in an Schule angedockte Jugendhilfeprojekte. Dabei werden viel versprechende Ansätze lokal gefahren und sie stehen unverbunden nebeneinander. Es wäre von Finanziersseite her geboten, weil gesellschaftlich und fachlich gewinnbringend, mit dem Einsatz eine überschaubare Evaluations- oder auch nur Erfahrungsbericht-Verpflichtung zu verbinden, um die Erkenntnisse in einem nächsten Schritt an einer zentralen Stelle zusammen zu führen und organisiert zu veröffentlichen.


Literatur

Bolay, Eberhard u.a. (1999): Unterstützen – Vernetzen – Gestalten. Eine Fallstudie zur Schulsozialarbeit. Stuttgart: Hektographiertes Manuskript

Bolay, Eberhard/Flad, Claudia (2006): Schulsozialarbeit im Spiegel ihrer Nutzer/innen. In: Bitzan, M./Bolay,E./Thiersch,H.: Die Stimme der Adressaten, München: Juventa Verla

Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport (2005): Arbeitsprogramm Hauptschule. Berlin: Hektographiertes Manuskript

Dieselbe (2006): ESF-Programm „Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen – ein Kooperationsmodell zwischen Schule und Berufswelt“. Berlin: Hektographiertes Manuskript

Speck, Karsten (2006): Qualität und Evaluation in der Schulsozialarbeit. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften

Streblow, Claudia (2005): Schulsozialarbeit und Lebenswelten Jugendlicher. Ein Beitrag zur dokumentarischen Evaluationsforschung, Opladen: Verlag Babara Budrich

Thimm, Karlheinz (2000): Schulverweigerung. Zur Begründung eines neuen Verhältnisses von Sozialpädagogik und Schule. Münster: Votum-Verlag

 

 

 


[1] Eine zweite Expertise aus Perspektive der Brandenburger Schulgesetzgebung ist bereits in Arbeit.

[2] Wird im Folgenden synonym für Kinder-, Jugend- und Familienhilfe verwendet.

[3] Vgl. z. B. BverfGE 71, 228, 231.

[4] MwN. Pieroth / Schlink Rn. 652.

[5] In FK § 1 Rn. 17 u. 18.

[6] Meysen in Münder/Wiesner, Handbuch Kinder- u. Jugendhilferecht, 1. Auflage 2007, 2 Rn.22.

[7] Münder in FK § 8a Rn. 1.

[8] Münder in FK § 8a Rn. 3.

[9] Kunkel § 8a Rn. 29.

[10] § 8a Abs. 1 Satz 1

[11] Brandenburger Schulgesetz § 4 Abs. 3 Satz 2

[12] Münder in Hartnuß IV Einleitung.

[13] Münder in Hartnuß IV Einleitung

[14] Wulfers S. 55.

[15] So Münder in Hartnuß S. 563

[16] Münder in FK § 81 Rn. 1.

[17] Struck in Wiesner § 22a Rn. 7.

[18] Diederichsen in Palandt § 1666 Rn. 15.

[19] Olzen in MK § 1666 Rn. 43.

[20] FK § 8a Rn. 42.

[21] BverfGE 60,79,91; BGH in FamRZ 1956,350.

[22] FK § 1 Rn. 30.

[23] Zur Unbestimmtheit des Begriffs der Zusammenarbeit siehe oben unter

[24] Münder in FK § 81 Rn. 3.

[25] Wiesner § 81 Rn. 5

[26] Kollisionsnorm

[27] Vor diesem Hintergrund wird für die Einführung eines § 13a SGB VIII, welcher nur schulbezogene sozialpädagogische Angebote und Hilfen normiert, plädiert, mwN. Hartnuß/Maykus s. 589.

[28] Struck in Wiesner § 13 Rn. 1.

[29] Lauer in Wabnitz S. 182 f.

[30] „Soll“ im Gesetzeswortlaut.

[31] Münder bejaht das, mwN. Münder /Schruth zur Rechtsqualität des § 13 SGB VIII in ZfJ 2002, S. 125 ff.

[32] Struck in Wiesner § 13 Rn. 29.

[33] Siehe Fn. 29.

[34] So 12. KJBericht S. 264.

[35] Lauer in Wabnitz S. 183.

[36] Ausführlich dazu Meysen in JAmt 02/2003 S. 53 ff.

[37] Kunkel Rn. 59.

[38] Struck in Wiesner § 22a Rn. 14.

[39] FK § 11 Rn. 9.

[40] FK § 14 Rn. 1.

[41] Wiesner § 28 Rn. 31.

[42] FK § 30 Rn. 2.

[43] FK § 31 Rn. 8.

[44] FK § 32 Rn. 7.

[45] vgl. § 36 SGB VIII Abs. 2 Satz 3

[46] www.landesrecht.brandenburg.de

[47] FK § 15 Rn. 1.

[48] Eine tabellarische Übersicht ohne den Anspruch auf Vollständigkeit findet sich bei Hartnuß S. 578 ff.

[49] Dazu lassen sich keine weiterführenden Anhaltspunkte finden.

[50] Hartnuß in Nartnuß / Maykus S. 585.