(Anmerkung des Administrators zu diesem Text: Die jeweils aktuelle Fassung der Rahmenleistungsbeschreibungen finden Sie auf der Seite "Rechtsvorschriften" der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Berlin)
Grundsätzlich ist die Rahmenleistungsbeschreibung für stationäre Hilfen nach den §§ 34, 35, 35a i.V. mit §41 SGB VIII vom 07.06.2007 in vorliegender Fassung nicht verständlich.
Der Versuch, diese Paragraphen, die vom Gesetzgeber ganz bewusst einzeln aufgeführt sind, da sie ganz unterschiedliche Handlungsfelder sozialpädagogischen Handelns beschreiben, in einen Rahmen zu pressen ist nicht nachvollziehbar.
Der Sinn als solcher bleibt verschlossen und schon der Eingangssatz der Präambel führt diesen Widerspruch aus. Dieser spricht vom Ziel ,,….eine gemeinsame Grundlage für eine Flexibilisierung der stationären Hilfen zu schaffen. …“. Es wird also zu Beginn schon erläutert, das die Gesetzesvorlage in Form der Ausdifferenzierung fachlicher Hilfeformen gemäß § 27 ff. SGB VIII nicht die Grundlage der Leistungsbeschreibung ist, sondern die einzelnen Gesetzesteile werden der Begrifflichkeit der „Stationären Hilfe“ untergeordnet.
Leider wird an keiner Stelle der Leistungsbeschreibung die Begrifflichkeit erläutert. Der Gesetzestext des SGB VIII nimmt jedenfalls keinen Bezug darauf. Wohin diese Herangehensweise führt, soll im Folgenden im Ansatz dargestellt werden.
Bestimmt der Betreuungsrahmen die fachliche Leistung oder umgekehrt?
Schon die Unterscheidung in Leistungstyp 1 und 2 trägt in dem Moment nicht zur Klarheit bei, in dem bereits in der Präambel zum Leistungstyp 1 nach den §§ 34, 35 i.V. mit § 41 SGB VIII inhaltlich Bezug genommen wird auf den § 35a SGB VIII, der eigentlich dem Leistungstyp 2 zugeordnet wurde.
Es wird hier das definierte Ziel formuliert, Anspruchsberechtigte nach dem § 35a in der Regel „…integrativ im Rahmen eines stationären Leistungsangebotes nach §§ 34, 35 SGB VIII….“ zu betreuen. Sprich der differenzierte Leistungsanspruch der einzelnen Kinder und Jugendlichen der sich aus dem Gesetz ergibt, wird in einen „integrativen“ Regelanspruch nach den § 34, 35 SGB VIII umformuliert.
Die Verknüpfung von „…individuellen Betreuungsangebote…“, „…Gruppenbetreuungsformen…“ und von „…anderen Gruppenbetreuungsformen…“ im Leistungstyp 1 trägt nicht zum Verständnis der Leistungsbeschreibung bei, da sie nicht erklärt werden. Wenn des Weiteren davon gesprochen wird das „…Die Intensität der jeweiligen Gruppenbetreuungsform…“ mit dem jeweiligen Personalschlüssel korrespondiert, könnte dies bedeuten, dass die Betreuungsform mit dem Personalschlüssel übereinstimmen soll und nicht der Personalschlüssel soll der jeweiligen Gruppenbetreuungsform entsprechen.
Die Frage wäre, wer dies kontrolliert bei den möglichen permanenten Veränderung der Betreuungsintensität jedes einzelnen Gruppenmitgliedes? Wie auch immer, Gruppen sind im pädagogischen Alltag selten homogen und dies ist für pädagogische Prozesse in den meisten Fällen auch gut so. Eine Gruppe von z.B. durchweg aggressiven und gewalttätigen Jugendlichen ist sicher nicht zu betreuen. Wie soll dann aber der Betreuungsschlüssel für eine Gruppe mit unterschiedlichen Leistungsbedarfen aussehen?
Des Weiteren wird als Zielstellung der stationären Hilfe der „…Abbau von Verhaltensauffälligkeiten,…“ ausgegeben. Nun kann qualifizierte Jugendhilfe u.a. sicherlich viel für den Abbau von Belastungsfaktoren tun, die zu Verhaltensauffälligkeiten führen, vermindern können wir diese, nur durch die Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung, nicht. Wie eine Studie der Universität Erlangen-Nürnberg für das Bundesfamilienministerium evaluierte, entstehen die Probleme durch ein komplexes Zusammenwirken von sozialen und psychischen Risikofaktoren. Die besten Aussichten auf Erfolg zeigen sich bei einem frühen Eingreifen. In der Jugendhilfe haben wir jedoch zumeist mit Kindern und Jugendlichen zu tun, bei denen sich Verhaltensauffälligkeiten über einen längerfristigen Zeitraum entwickelt und ausgeprägt haben.
Wendet man sich dem Leistungstyp 2 zu, so ist grundsätzlich die Einbeziehung des § 35a in der vorliegenden Form stark zu hinterfragen. Die Definition der Zielgruppe und Problemlagen der Betroffenen finden sich nicht in der Gesetzesvorlage wieder. Klienten die „…vernachlässigt und/oder von sexueller und körperlicher Gewalt betroffen sind…“ sind nicht zwangsläufig seelisch behindert. Dies ist eine Stigmatisierung, die in dieser Form unzulässig ist. Hier wird das Ross mit dem Reiter verwechselt. Die Definition von seelischer Behinderung ist im § 2 Abs. 1 SGB IX geklärt. Diese entspricht den Kriterien des Internationalen Klassifikationsschemas für Krankheiten, der sog. ICD-10 und können nur von einem Arzt festgestellt werden. Die vorliegend beschriebenen entwicklungshinderlichen Problematiken können dazu führen, sind sicherlich aber nicht damit gleichzusetzen. Die Einbeziehung der Begrifflichkeit des „…selbst- und fremdgefährdenden Verhalten…“ als möglicher Folge von Vernachlässigung, körperlicher und sexueller Gewalt ist inhaltlich und sprachlich unverständlich. Wenn man eine Aufzählung möglicher Ursachen vornimmt, dann gehören sicherlich noch mehr Faktoren hinzu, die zu nennen wären. Selbst- und fremdgefährdendes Verhalten bedarf einer Akutversorgung und ist kein Bestandteil der Hilfen zur Erziehung (s. §2 SGB VIII). Eine Diagnostik dieses Gefährdungszustandes von Kindern- und Jugendlichen kann nur ein Arzt vornehmen. Denn die Begriffsbestimmung der Selbst- und Fremdgefährdung entspricht der im Landesgesetz für psychisch kranke Personen (PsychKG). In jedem Bundesland gibt es dieses Gesetz, das die Unterbringung von psychisch Kranken ermöglicht, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, weil sie andere oder sich selbst in erheblichem Maße gefährden. Dies als Betreuungsregelleistung zu formulieren ist nicht plausibel.
Zusammenfassend entsteht der Eindruck, das der Betreuungsrahmen die fachliche Leistung bestimmen soll und nicht umgekehrt. Dies ist nicht verständlich, da sich die Betreuungsangebote und Einrichtungen an den Bedürfnissen der von ihnen betreuten Kinder, Jugendlichen und Familien orientieren sollen.
Abbau fachlicher und tariflicher Standards
Wirft man abschließend noch einen kurzen Blick in die Anlage mit den ausdifferenzierten Leistungsbausteinen, so wird ein Abbau fachlicher und tariflicher Standards sichtbar. So ist beispielhaft nach dem § 34 Gruppenangebot bei geringer Betreuungsdichte ein Mindeststandard von 1 Fachkraft zu 7,27 jungen Menschen nicht zu unterschreiten. Ein Satz davor, wird von „…einem Personalschlüssel von 1 Fachkraft zu 2,18 jungen Menschen und darüber.“ gesprochen. Was bedeutet dies?
Sozialpädagogische Fachkräfte gelangen in eine Vergütungsgruppe Vc/Vb BAT/BAT-O, bisher Vb/IVb. Die Mittel für Qualitätssicherung, Supervision und Fortbildung werden gegenüber den bisherigen Standards und der Leistungsbeschreibung Ambulante Sozialpädagogische Erziehungshilfen vom 3. Februar 2005 halbiert. Dies bedeutet eine erhebliche Absenkung qualitativer Standards für die Betreuung, bei einer Einsparung von ca. 0,25 Euro pro vergleichbarer Fachleistungsstunde oder ca. 33,- Euro pro Vollzeitstelle und Monat.
Bedeutet dies auch eine Halbierung der qualitativen Anforderungen an die KollegInnen und wie wirkt sich dies auf die zu Betreuenden aus?
Leitungsanteile werden auf einen Anteil von 4 – 4,5 % pro Platz berechnet, gegenüber früheren 10 % pro Vollzeitstelle. Was durchaus eine Logik hatte.
Die erneute Anmerkung zum Umgang mit fallunspezifischen Leistungen schafft weiterhin keine Klärung. Wie soll die Teilnahme an Sozialraum- und Fachgremien zukünftig gewährleistet werden? Es ist nicht erklärbar wie einerseits von einer Einbeziehung von „…fachlich/methodischen Prinzipien der Lebenswelt- und Sozialraumorientierung…“ gesprochen wird und anderseits nicht ausgewiesen wird, wie dieses zu finanzieren ist?