Leitner, H.: Fallmanagement in der Schule

 

Präventiver Kinderschutz beginnt mit Vertrauen

 

Präventiver Kinderschutz in der Schule beginnt mit dem Aufbau eines Vertrauensklimas, das die Kinder und Jugendlichen in die Lage versetzt, ihren Lehrerinnen und Lehrern ihre Nöte mitzuteilen und ihnen zu sagen, was sie bedrückt. Dieses Vertrauensklima und die Beziehung zwischen den Lehrkräften und dem Kind können dann auch die Grundlage sein, blaue Flecke von Misshandlungen zu zeigen oder zu sagen, dass sie hungrig sind, weil sie nicht regelmäßig und ausreichend zu essen bekommen. Der Aufbau des Vertrauensklimas gilt auch in Bezug auf die Eltern, denen gegenüber Verständnis für die aktuelle Lebenssituation und die Bereitschaft zum Gespräch und zur Beratung in Erziehungsfragen oder auch zu anderen Familienproblemen kontinuierlich signalisiert werden soll.

 

 

 

Abgestimmtes Vorgehen im Verdachtsfall

 

Konkret stellen sich Fragen des Kinderschutzes in der Schule, wenn ein begründeter, aber häufig noch vager Verdacht entsteht, dass mit einem Kind bzw. in einer Familie etwas nicht stimmt. Bei einem Verdachtsfall sind genaue Beobachtungen des Kindes oder Jugendlichen und die sensible Nutzung der Vertrauensbeziehung erforderlich, um genauere Informationen zu erlangen. Der Verdacht soll mit den Lehrerkollegen und der Schulleitung im Sinne einer „Risikoabschätzung“ besprochen werden. Eine besonders fachlich kompetente/r Kollegin/Kollege sollte dabei hinzugezogen werden. Den Eltern sollen Gespräche angeboten werden. Auch ein Hausbesuch kann sinnvoll sein. Gleichzeitig ist eine Hilfevermittlung an das Jugendamt anzubieten. Alle Beobachtungen und Schritte sind als Fallverlaufsdokumentation  aufzuzeichnen. Hierzu sind von der für das betreffende Kind verantwortlichen Lehrkraft Protokolle oder Aktennotizen anzufertigen, die getrennt von der Schülerakte verschlossen aufzubewahren und nach Erledigung des Sachverhalts zu vernichten sind.

 


 

Unmittelbares Handeln bei konkreten Hinweisen

 

Unmittelbares Handeln ist erforderlich, wenn den Lehrerinnen bzw. Lehrern oder anderen Beschäftigten der Schule Misshandlungen oder Vernachlässigungen bekannt werden, z. B. durch Berichte des Kindes und Dritter Personen oder sichtbaren Verletzungsspuren. Besondere Verantwortung tragen hierbei die Sportlehrer/innen, die wegen der leichten Sportkleidung Verletzungen oder Misshandlungsspuren der Kinder eher zu Gesicht bekommen als ihre Kolleginnen und Kollegen.

 


 

Einbeziehung des Jugendamtes und Teilnahme am Hilfeplanverfahren

 

Da in der Regel weitere Handlungsschritte erforderlich sind, sollte gemäß § 4 des Brandenburger Schulgesetzes das Jugendamt rechtzeitig in die Vorgehensweise einbezogen werden. Der Anruf beim Jugendamt kann dabei nur der erste Schritt sein; die Vergewisserung der dortigen Fallaufnahme und die Gesprächsbereitschaft gegenüber dem Jugendamt sowie die Bereitschaft einer Beteiligung am Hilfeplanverfahren sind mit einzuschließen. Ein minder gravierender Fall kann ggf. auch von der Schule (auch mit Unterstützung des Jugendamtes) selbst auf der Grundlage eigener Fachkompetenz mit den Eltern in Gesprächen oder Hausbesuchen geklärt werden. Die Polizei sollte nur bei akuter Gefahr, der auch durch das Jugendamt nicht abgeholfen werden kann, informiert werden. Wichtig dabei ist es, die beobachteten Tatbestände genau festzuhalten.

 

 

 

Kinderschutz bei Jugendlichen

 

Auch bei der Arbeit mit älteren Schülern und Jugendlichen werden Lehrerinnen und Lehrer an Schulen mit Fragen des Kinderschutzes konfrontiert. Die Misshandlung Jugendlicher (Jugendliche sind nach dem Gesetz 14- bis 18-jährige) ist jedoch wegen ihrer größeren Selbständigkeit und Zurückhaltung oft besonders schwierig zu erkennen. Sie äußert sich häufig dadurch, dass die Betroffenen zunehmend aufgegeben haben, ihre Probleme in der Familie zu lösen. Sie laufen von zu Hause weg und halten sich an s. g. jugendgefährdenden Orten auf, an denen sie womöglich von der Polizei aufgegriffen werden oder werden kriminell auffällig. Von einer pädagogischen Fachkraft, die mit einer Vernachlässigung oder Misshandlung eines Jugendlichen konfrontiert ist, wird deshalb keine spezialisierte Einzelfallhilfe erwartet. Gefordert sind hingegen das Wissen darüber, wo und wie eine solche Hilfe oder Schutz zu erreichen ist sowie die aktive Vermittlung und falls erforderlich Begleitung des Betroffenen zu einer Erziehungs- oder Jugendberatungsstelle, zum Arzt, zum Kinder- und Jugendnotdienst oder zum Jugendamt.

 

 

 

Kinderschutz und Schulprogramm

 

Eine weitergehende Möglichkeit, den Kinderschutz in der Schule zu verankern, stellt die Integration von schuleigenen Präventionskonzepten in die Schulprogrammarbeit dar. In diesem Fall werden Präventionskonzepte in das Schulprogramm aufgenommen und in den schulinternen Curricula bzw. schuleigenen Lehrplänen konkretisiert. Ziel ist es, verhaltensorientierte Trainingsprogramme zum sozialen Lernen und zur Entwicklung von Lebenskompetenz im Schulleben zu verankern.

 


 

PIT Brandenburg – Schulische Prävention im Team

Um die schulische Präventionsarbeit zu stärken wurde in Brandenburg das Programm „PIT Brandenburg – Schulische Prävention im Team“ entwickelt, ein ganzheitliches Rahmenkonzept für die Präventionsarbeit an Schulen, das auch die Thematik der Kindeswohlgefährdung als Präventionsfeld umfasst. Das Rahmenkonzept umfasst Anregungen zur Thematisierung des Kinderschutzes in Unterricht und Schulleben. Beraterinnen und Berater der staatlichen Schulämter, in den Jugendämtern und in den Erziehungs- und Familienberatungsstellen stehen den Schulen für eine inhaltliche Ausgestaltung des Kinderschutzes in Ihrer Schule als PIT-Ansprechpartner/innen zur Verfügung.