IGfH im Dezember 2008: Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundeskinderschutzgesetzes

Stellungnahme der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH e.V.) zum Referentenentwurf eines Bundesgesetzes zur Verbesserung des Kinderschutzes (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG, abgegeben im Dez 2008)

 

Allgemeine Einschätzung

Die Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen begrüßt alle Initiativen zur bundeseinheitlichen Stärkung des Kinderschutzes und der Kinderrechte, insbesondere dann, wenn damit eine länderübergreifende Förderung von Qualifizierung und Fachlichkeit angestoßen werden kann. Die IGfH sieht dabei die notwendige Entwicklung von Schutzrechten im System der Kinder- und Jugendhilfe und darüber hinaus in Zusammenhang mit dem Ausbau von Förderrechten und Beteiligungsrechten (insbesondere Beschwerderechten) von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien.

Mit dem KJHG (SGB VIII) verfügt die bundesdeutsche Gesellschaft über ein gesetzliches Regelwerk, welches den Schutz von Kindern und Jugendlichen im weitesten Sinne zu realisieren vermag. Die gesetzlich vorgegebenen Hilfeformen und Zugangsmöglichkeiten für Kinder, Jugendliche und Familien haben in den vergangenen Jahren, seit in Kraftsetzen des KJHG, dazu geführt, dass Jugendhilfe in der Bevölkerung immer stärker akzeptiert und genutzt wurde. Das Image der Hilfen zur Erziehung hat sich weg von Eingriff und Reglementierung und hin zu einer modernen Dienstleistung und solidarischer Unterstützung entwickelt. Das führte auch dazu, dass die Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer deutlich angestiegen ist. Man könnte sagen, dass eine auf Freiwilligkeit, auf professionelle Zuverlässigkeit und menschliche Zuwendung setzende Hilfe offenbar breit angenommen werden kann und angenommen wird.

Genau das wurde in den letzten Jahren von politischer Seite immer stärker kritisiert. Denn die stärkere Nutzung der Hilfen führte eben auch zur Erhöhung der Kosten. Deshalb ist die Jugendhilfe in vielen Regionen Deutschlands insbesondere seit der Jahrtausendwende deutlich reduziert worden. Tagesgruppen und Heimerziehung wurden dramatisch reduziert bzw. in Teilen vollständig abgeschafft. In den Jugendämtern wurde über Jahre hinweg Personal reduziert, keine neuen Fachkräfte eingestellt und nötige Qualifizierungsmaßnahmen eingeschränkt (vgl. das aktuelle Papier der AGJ “Personal in der Kinder- und Jugendhilfe – Herausforderungen und Perspektiven”. Hierin wird herausgearbeitet, dass es in der Kinder- und Jugendhilfe bei einer insgesamt wachsenden Personenzahl seit 2002 ein faktischer Personalabbau von insg. ca. 10.000 Stellen (- 2,3 %) ergeben hat. Ohne die Kindertagesstätten beträgt der Rückgang sogar über 10%). Das führte zu seiner sich stetig verschärfenden Situation auch und besonders im Kinderschutz.

Wir müssen außerdem konstatieren, dass sich die Lage von Kindern und Familien insbesondere in den letzten Jahren durch die Zunahme von Armut erheblich verkompliziert haben. Wir verweisen hier vor allem auf die Zunahme von Armut bei allein erziehenden Müttern und ihren Kindern. Die aktuelle Sozialgesetzgebung, so wurde auch durch Studien des DPWV Gesamtverbandes belegt, trägt zu dieser Entwicklung unmittelbar und mittelbar bei. (Im Jahr 2007 haben Jugendämter in Deutschland 421 000 erzieherische Hilfen für Familien, Kinder, Jugendliche und junge Volljährige neu gewährt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am 15. Dezember 2008 mitteilte, erhielten 29% dieser Familien beziehungsweise der jungen Volljährigen auch finanzielle staatliche Unterstützung).

Die seit Einführung des § 8a intensivierte Debatte um den Schutz der Kinder in Familien hat darüber hinaus deutlich gemacht, dass es bei den dramatischen Fällen von Kindervernachlässigung und Misshandlung in aller Regel um Familien geht, die der Jugendhilfe bereits bekannt sind. Probleme entstanden (wie auch in den Fällen in Bremen und Schwerin) durch unklare Zuständigkeiten, personelle Unterbesetzung, unzureichende Vernetzung. Alles Faktoren, die das System der Jugendhilfe selbst erzeugt oder die durch Mangel entstehen.

Hier wäre zu schlussfolgern, dass es notwendig ist, die vorhandenen Bereiche der Jugendhilfe weiter zu qualifizieren, besser zu vernetzen und in angemessener Weise auszugestalten. Dies wird der Gesellschaft entsprechende Kosten verursachen. Aber es ist die einzige Möglichkeit wirklich effektiven Kinderschutz zu betreiben. Eine qualitativ gute Kinderschutzarbeit krankt nicht an mangelnden gesetzlichen Regelungen, sondern an der zügigen Umsetzung bereits bestehender gesetzlicher Regelungen, deren Implementierung offensichtlich mehr Zeit beansprucht, als angenommen.

Die Einführung weiter reichender gesetzlicher Regelungen, zumal die Ausprägung von Melde- und Beobachtungsvorgängen wird wie im vorliegenden Entwurf beschrieben, kann nur als Rückkehr zu althergebrachter Eingriffsideologie verstanden werden. Vielmehr kommt es „beim Kinderschutz vor allem darauf an, möglichst frühzeitig einen Zugang zu gefährdeten und betroffenen Familien zu bekommen, sie rechtzeitig zu unterstützen und ihnen einen Weg aus einer für sie aussichtslos erscheinenden Lage zu bahnen“ (zitiert aus der gemeinsamen Erklärung zum Kinderschutz in Deutschland vom 14.12.2007 von bke, DPWV, DIJuF, Kinderschutz-Zentren und IGfH).

 

Von daher schlägt die IGFH dringend vor, auf das vorgelegte Gesetz zu verzichten und stattdessen das KJHG (SGB VIII) als umfassende Grundlage für einen modernen Kinderschutz weiter zu nutzen und die Praxis entsprechend zu gestalten.


Im Einzelnen:

Diese Gesamteinschätzung kann unterlegt werden mit Einschätzungen zu den einzelnen vorgeschlagenen gesetzlichen Regelungen:

 

Zu Artikel 1: Gesetz über die Zusammenarbeit im Kinderschutz

 

§ 1 Kinderschutz und staatliche Mitverantwortung

Absatz (1)

Der Gesetzesentwurf nimmt in dieser Grundpräambel Bezug auf die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, die ein Recht eines jeden Kindes auf körperliche Unversehrtheit und auf ein gesundes Aufwachsen proklamiert, sowie auf das Grundgesetz (Artikel 6 Abs. 2f. GG). Dies ist sicher begrüßenswert, aber leider fehlen explizite Bezüge auf die Forderung einiger Bundesländer zu Einfügung von Kinderrechten im Grundgesetz sowie auf eine grundsätzliche Ansprache der präventiven Aspekte und Ansätze eines wirksamen Kinderschutzes durch den Ausbau und die Gewährleistung einer niedrigschwelligen Angebotsstruktur zur Förderung des Kindeswohles wie dies beispielsweise im Rheinland-Pfälzischen Kinderschutzgesetz (vom 7. März 2008 § 1 Abs 3 Nr.1.) vorgesehen ist.

 

Absatz (2)

In dieser deklaratorischen Vorschrift erscheint der IGfH problematisch, dass der Begriff der „Schädigung“ (wieder) eingeführt wird – ein wegen seiner stigmatisierenden Wirkung im KJHG/SGB VIII bewusst vermiedener Begriff. In früheren Zeiten, also vor der Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe, war dieser Begriff in § 55 JWG (Voraussetzungen der Bestellung eines Erziehungsbeistandes) enthalten und in § 62 JWG (Voraussetzungen der FEH) zu finden.

§ 2 Beratung und Weitergabe von Informationen bei Kindeswohlgefährdungen durch Geheimnisträger

 

Absatz (1):

Hier wird die Befugnis von Personen, die der Schweigepflicht unterliegen, das Jugendamt zu informieren, geregelt. Der IGfH ist zwar bekannt, dass KollegInnen bei Ämtern und Landesjugendämtern eine separate Regelung zur Informationsregelung von Geheimnisträgern (befugte Datenoffenbarung) fordern, dennoch muss aus unserer Sicht diese grundsätzliche Einbeziehung aller Geheimnisträger nach §203 StGB in den Kinderschutz mit dem Auftrag der Gefährdungseinschätzung und –abwendung abgelehnt werden.

Der § 203 StGB stellt die Verletzung von Privatgeheimnissen für bestimmte Berufsgruppen bekanntlich unter Strafe. Mit dem Generalverweis auf § 203 werden Personengruppen in den Aufgabenbereich des Kindesschutzes einbezogen, die keine beruf- und tätigkeitsbezogenen Aufgaben des staatlichen Wächteramtes haben. Die Adressatengruppe ist somit zu weit gefasst, denn die Berufsgruppen reichen u.a. vom Arzt/ der Ärztin über ApothekerIn oder RechtsanwältIn, SteuerberaterIn bis hin zur Ehe-, Familien-, Erziehungs- und JugendberaterIn sowie SuchtberaterIn u.a.m. Das je spezifische Beratungsverhältnis zum Hilfesuchenden wird mit weiteren Aufgaben befrachtet und gestört, denn die Verantwortung für den Kindesschutz trägt nicht der AdressatInnenkreis dieser Regelung.

 

Absatz (2)

Die hier getroffenen Regelungen verlagern die Befugnis zur Weitergabe von Daten gegenüber der bisherigen Rechtslage vor. Bisher können z.B. ÄrztInnen gestützt auf § 34 StGB Daten nur weitergeben, wenn es sich um eine akute Gefährdungssituation handelt, nicht schon bei Fragen der Gefährdungseinschätzung. Der Gesetzentwurf verpflichtet in der jetzigen Form den AdressatInnenkreis zum Kindesschutz bei Nachrangigkeit anderer Rechtsgüter, wie der Autonomie und des Recht des Klienten auf informationelle Selbstbestimmung sowie auch des Rechts des Adressaten auf seine/ihre freie Berufsausübung (Art. 12 GG).

Hier wird ein unverhältnismäßiger Eingriff in den mit dem Datenschutz verbundenen Vertrauensschutz geschaffen. Zudem bestehen zumindest bei etlichen der genannten Berufsgruppen kaum spezifische Qualifikationen eine solche anspruchsvolle Gefährdungseinschätzung vornehmen zu können. Zu befürchten ist eine Entqualifizierung von Hinweisen an die Jugendämter. Eltern und Kindern werden zu „gläsernen Familien“.

Die Interessenabwägung des § 34 StGB hat eben auch den Sinn, den Datenschutz des Klienten zum Berater/zur Beraterin nach § 203 und die Autonomie der Personengruppe des § 203 zu schützen. Es sollte daher bei der Regelung des § 34 StGB bleiben.

 

§ (3) Informationspflichten für andere Berufsgruppen

 

Absatz 1:

Der vorliegende Paragraph im Gesetzesentwurf soll die Rechtsgrundlage für eine weitreichende Verpflichtung von Personen außerhalb des öffentlichen Sektors bilden, das Jugendamt unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtend zu informieren. Schon der völlig offen „definierte“ Personenkreis erzeugt allerdings erhebliche Unsicherheiten und neue Unklarheiten im Kindesschutz und bezüglich der Zuständigkeiten, denn eine Informationspflicht über „Erkenntnisse“ und Anhaltspunkte einer Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen müssten dann unter Umständen Handwerksbetriebe, Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger, aber auch eine betreuende Nachbarin, der Pfarrer, der Anbieter eins Kindergeburtsfestes u.a.m. machen. Die genannten Berufsgruppen mit einer „Ermittlungstätigkeit“ in diesem Sinne auszustatten, ist auch aus Datenschutzgründen unverantwortlich.

Im Begründungstext zum Gesetzesentwurf wird speziell auf die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen als Zielgruppe verwiesen. Aber auch Lehrerinnen und Lehrer im Schuldienst verfügen aufgrund fehlender Beratungskompetenz, Qualifizierungsmöglichkeiten und Erfahrung kaum über die Befähigung bei Anhaltspunkten einer Kindeswohlgefährdung den Erziehungsberechtigten eine Beratung anzubieten oder eine Gefährdungseinschätzung fachlich fundiert vorzunehmen. Dies kann man schon daran erkennen, dass immer mehr Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Schulen – auch in Konflikt- und Gefährdungssituationen – tätig werden, um in Problem- und Einschätzungssituationen Hilfe zu leisten.

Insgesamt ist dieser Passus aus Sicht der IGfH nicht sinnvoll, da er nicht nur die Schwelle zum Vorliegen „gewichtiger Anhaltspunkte“ für eine Gefährdung des Wohles eines Kindes oder eines Jugendlichen aufgrund der Entqualifizierung von Hinweisen an die Jugendämter absenkt, sondern auch die Jugendämter personell überfordern wird und vor allem durch die ausschließliche Fokussierung auf ein Melde-, Kontroll- und Ermittlungswesen den Kinderschutz auf die kritische Beobachtungs- und Eingriffsperspektive reduziert – zumal für die Betroffenen keinerlei Informations-, Mitwirkungs- und Beschwerderechte im Sinne von Bürgerrechten geregelt werden wie dies in anderen europäischen Ländern vorgesehen ist.

 

Abs. 2

Der Hinweis ist aus Sicht der IGfH rechtlich überflüssig, verstärkt aber die Kontroll- und Eingriffsperspektive des Kinderschutzes (siehe oben).

 

Zu Artikel 2: Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch

Änderung: § 8a

Nr. 1 a:

In dieser Regelung rückt die Pflicht des Jugendamtes sich einen „unmittelbaren Eindruck von dem Kind und in der Regel auch seiner persönlichen Umgebung zu verschaffen“ in den Vordergrund von Vorschriften. Für Generationen von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern der Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) oder vergleichbarer Einrichtungen ist es eine gängige Praxis, Familien oder einzelne Menschen in ihrem vertrauten sozialen Umfeld und dabei insbesondere auch in ihrer Wohnung (Hausbesuche) aufzusuchen. Ein Hausbesuch kann dabei unterschiedliche Ziele verfolgen. Ein erstes Ziel von Hausbesuchen ist die Informationsermittlung. Dies wird im Kinderschutz besonders deutlich. Hausbesuche stellen aber keineswegs nur einen Bestandteil der Arbeit im Gefährdungsbereich dar. Sie können ebenso sinnvoll sein im Rahmen einer Bedarfsermittlung, ohne dass eine Gefährdungslage erkennbar ist. Ein zweites Ziel von Hausbesuchen ist die Förderung einer tragfähigen Helfer-Klient-Beziehung. Je sensibler ein Handlungsbereich ist, umso sorgfältiger muss das Handeln der Fachkraft darin begründet und reflektiert werden (vgl. die Ausführungen von Prof. Dr. Ulrike Urban und das Schwerpunktthema „Hausbesuche“ im Forum Erziehungshilfen 1_2009)

Die vorliegende Änderung des § 8 a stellt durch die Festlegung einer einzelfallunabhängigen gesetzlichen Verpflichtung („in der Regel“) diesen fachlichen Abwägungsprozess in Frage. Die Regelverpflichtung ist grundsätzlich nicht anders zu bewerten als eine „Muss“-Verpflichtung, nur mit der Einschränkung, dass bei atypischen Umständen ausnahmsweise von der Pflicht abgesehen werden kann. Hausbesuche als ein herausragend genanntes Tätigkeitsmerkmal vorzugeben, wird dazu führen, dass das Jugendamt und die Mitarbeiterinnen kaum noch abwägen können, ob im Sinne des Kindesschutzes und der frühen Erreichbarkeit von Familien nicht andere geeignete Mittel zur Vertrauensbildung zur Verfügung stehen und eine Motivation von Familien zur Inanspruchnahme von Erziehungshilfen auf anderem Wege möglich ist.

Eine seriöse Gefahreneinschätzung setzt in der Regel die Kooperation der Betroffenen und des Umfeldes voraus. Der Hausbesuch macht dieses nicht obsolet. Da ohnehin zahlreiche fachlichen Empfehlungen (v.a. „Empfehlungen des Deutschen Städtetages zur Festlegung fachlicher Verfahrensstandards in den Jugendämtern bei akut schwerwiegender Gefährdung des Kindeswohls“ vom 01.04.2003) Ausführungen dazu beinhalten, sollte – nach Ansicht der IGfH – auf die Regelung verzichtet werden.

 

Nr. 1b (Änderung von Absatz 2 § 8a)

Die geplante Neufassung des Abs. 2, in dem der spezifische Schutzauftrag der Einrichtungen und Dienste eigenständig geregelt wird, ist angesichts der eingetretenen Unsicherheiten bei der Formulierung „Wahrnehmung des Schutzauftrages in entsprechender Weise“ sicherlich nachvollziehbar, insbesondere hinsichtlich der nun angestrebten problematischen Regelverpflichtung des öffentlichen Trägers zum Hausbesuch, und wird von der IGfH grundsätzlich begrüßt.

Allerdings wird die Informationspflicht nun im vorliegenden Entwurf vorverlagert (Nr. 1b. 2.), indem die Nichtmitwirkung der HilfeadressatInnen schon zum Meldekriterium wird. Andererseits sollen Fachkräfte bei gewichtigen Anhaltspunkten für die Gefährdung der von ihnen betreuten Kindes oder Jugendlichen nun nicht nur „eine insoweit erfahrene Fachkraft“ hinzuziehen, sondern „die Personensorgeberechtigten und/ oder das Kind einbeziehen“. Hier werden auf diese Weise sehr widersprüchliche Impulse gesetzt, die die bisher erarbeiteten Vereinbarungen in Frage stellen, ohne ein anderes – genügend präzise benanntes – fachliches Einschätzungsverfahren zu etablieren. Die Klarstellung der rechtlichen und fachlichen Verantwortlichkeiten und Möglichkeiten von Fachkräften und der Hilfe suchenden oder Hilfe benötigenden BürgerInnen im demokratischen Hilfesystem wird dadurch nicht erreicht (vgl. auch die Debatten in: Forum Erziehungshilfen, Schwerpunktheft „Kinderschutz in der Demokratie“ 3_2007).

 

Nr. 2 (§ 86c Ergänzung)

Absatz 1 bis 3

Die hier vorgenommene Hervorhebung einer Notwendigkeit der unverzüglichen Unterrichtung eines neu zuständig werdenden örtlichen Trägers bei fortbestehender Leistungserbringung ist sinnvoll und wird von Fachkräften immer wieder angemahnt. Unklar bleibt allerdings, um welche Arten von Daten es sich bei der Weitergabe handeln soll, denn auch Daten, die „für eine Hilfegewährung maßgeblich sind“, unterliegen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen, zumal der Antrag auf Hilfe jederzeit von den Leistungsberechtigten zurückgenommen werden kann. Zumindest sollte in Absatz 2 klargestellt werden, dass die Regelungen des § 65 Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGVIII davon unberührt bleiben (Einwilligung der Betroffenen). Darüber hinaus sollte den Betroffenen die Datenweitergabe und eine konkrete Ansprechpartnerin des neu zuständigen örtlichen Trägers angezeigt werden.

Eine transparente Einbeziehung der Familien in Übergabesituationen sowie zumindest bei sogenannten „anvertrauten Daten“ ist auch in Anhaltspunkten für die Gefährdung des Wohl eines Kindes oder Jugendlichen sinnvoll (Absatz 3), wenn nicht Hilfezugänge beim neu zuständigen örtlichen Jugendamt sofort wieder durch Intransparenz gefährdet werden sollen.

Das DIJuF hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf zudem darauf hingewiesen, dass in Absatz 2 „die Leistungsfortsetzung von einer ausdrücklichen Fortschreibung des Hilfeplans abhängig“ wird oder werden kann. „Dies widerspricht dem Interesse der Hilfekontinuität und erscheint völlig unangemessen“ (DIJuF 2008, S. 11). Dem schließt sich die IGfH an.