Familienrat, Sozialpädagogische Familiendiagnose, systemische Familienarbeit, Familienaktivierung, Familienintegration – sei es in der Fachliteratur, auf den Fluren der Jugendämter oder in sozialpädagogischen Einrichtungen… Man hört zunehmend diese Schlagwörter. Zu Recht, unserer Ansicht nach. Befragt man Eltern in Jugendhilfesettings nach der Bedeutung von Familie, stehen Zusammenhalt und eine gemeinsame Familienperspektive im Vordergrund.
„Familie bedeutet Zusammenhalt der Gemeinschaft, egal aus wie vielen Personen sie besteht. Familie geht durch dick und dünn. Jeder steht für jeden ein, egal was er oder sie gemacht haben. Niemand verpfeift den anderen, niemand verrät einen, niemand verlässt einen aus nicht gutem Grund. Familie bedeutet für mich die Geborgenheit des Ganzen. Die Aufopferung für Kind und Partner. Die Familie bin ich.“ (Herr B., alleinerziehender Vater, ein Kind)
„Familie ist für mich unbezahlbar. Eine Familie zu haben ist für mich ein Lebensgefühl, für das man sich bewusst entscheidet. Familie bedeutet Geborgenheit. Meine Familie sind meine Kinder.“ (Frau Y., alleinerziehende Mutter, drei Kinder)
Diese Zitate von Familien, die im Familienintegrativen Projekt Familienbande betreut wurden, zeigen, dass Familie auch für Eltern, die mit verschiedenen Schwierigkeiten, die das Leben mit sich bringen kann, konfrontiert sind, einen enormen Stellenwert hat. Gerade in unserer Individualisierungsgesellschaft ist Familie wertvoll, und es lohnt sich, darum zu kämpfen.
Betrachtet man Eltern in kritischen Lebenslagen und nicht die „schwierigen Kinder“ als Schlüsselfiguren für familiäre Problemlagen, liegt es auf der Hand, sich ebendiesen Schlüsselfiguren zuzuwenden, sie gezielt zu fördern und sie in Erziehungsprozesse zu integrieren. Wir gehen davon aus, dass grundsätzlich jedes Elternteil daran interessiert ist, sich seinem Kind liebevoll und verantwortungsvoll zuzuwenden. Der Wunsch eines jeden Kindes, mit seiner Familie zu leben, ist ebenfalls unbestreitbar. Diese Grundgedanken stehen hinter dem Konzept der Familienintegrativen Projekte des Kinderhaus Berlin – Mark Brandenburg e.V.
Im soziologischen Sinne steht der Begriff Integration für die Ausbildung einer Wertegemeinschaft mit Einbezug von Menschen und Gruppierungen, die aus verschiedenen Gründen bisher ausgeschlossen waren. Integration beschreibt einen dynamischen, lange andauernden und sehr differenzierten Prozess des Zusammenfügens und Zusammenwachsens (vgl. Wikipedia).
Lange wurden Eltern in der Heimerziehung eher als Randfiguren, ja sogar als Störenfriede betrachtet. Zunehmend etabliert sich die Idee, sie als Ressource zu begreifen. Aus dieser Haltung entwickelten sich Familienintegrative Arbeitsansätze.
Jede Familie sollte die Chance erhalten, als solche auch zusammenleben zu können. Aufgrund persönlicher Lebenserfahrungen und Lebenssituationen gelingt es jedoch nicht allen, dies ohne Hilfe zu realisieren. Unsere Familienintegrativen Projekte Profil und Familienbande, als auch das Krisen- und Clearingprojekt mit Familienintegrativem Ansatz Borg, bieten diesen Familien die Möglichkeit, dazuzulernen und in einem geschützten und entwicklungsfördernden Rahmen Problemlagen zu bearbeiten, ohne dass zwangsläufig Beziehungsabbrüche stattfinden müssen. Kindern bleiben ihre Bezugspersonen erhalten und durch intensive Eltern- und Familienarbeit werden Beziehungen und Bindungen zwischen Eltern und Kindern gestärkt.
Die Lebensumstände unserer Klientel erleben wir als sehr komplex. Neben unzureichender Erziehungskompetenz sind die Familien oft mit Paarkonflikten, Armut, Wohnungslosigkeit, Gewalt etc. konfrontiert. Unsere Erfahrungen in der Arbeit mit Familien zeigen, dass diese nur erfolgreich sein kann, wenn neben der Bearbeitung von Beziehungen der Familienmitglieder, auch die komplexen Lebenssituationen mitbedacht werden. Daher ist es unser Anspruch, gemeinsam mit den durch uns betreuten Familien intensiv deren Problemlagen im innerfamiliären Feld zu bearbeiten und sie gleichzeitig dafür zu sensibilisieren, sich der Herausforderung zu stellen, die das Umfeld der Familie mit sich bringen kann.
Wendet man sich Familien interessiert und wertschätzend zu, erfährt man, dass sie sehr wohl in der Lage sind, eigene Problemlagen und Konflikte zu benennen. Stärkt man Eltern darin, Eigenverantwortung zu übernehmen, merkt man schnell, dass nur so Veränderung angestoßen wird und sich Entwicklung zeigt.
Diese Prozesse gestalten sich entsprechend der Definition von Integration oft als sehr dynamisch und benötigen Zeit. Wir erleben in unserer praktischen Arbeit, dass es sich lohnt, diese Zeit zu investieren. Wenngleich Erfolge oft sehr kleinschrittig erzielt werden, kann Familienintegration längerfristiger Fremdunterbringung von Kindern entgegenwirken. Familienintegration ist nicht immer ein Garant dafür, dass die Familie gemeinsam in einen Haushalt entlassen werden kann. Liegt die Perspektive des Kindes außerhalb der Familie, kann gemeinsam mit Eltern und Kindern über den zukünftigen Lebensort beraten und erarbeitet werden, auf welchem Weg der Kontakt erhalten werden kann. Auch eine Fremdunterbringung mit intensiven Elternkontakten kann für die Familie ein Erfolg sein. In einem solchen Fall konnte der Familie die Gelegenheit geboten werden, tragfähige Beziehungen aufzubauen, zu gestalten und zu festigen, die es Eltern ermöglicht, auch schwierige Entscheidungen zu treffen bzw. zu akzeptieren, die dem Kindeswohl dienen.
Entscheidend ist nicht immer, dass die Familie gemeinsam aus dem stationären Setting entlassen wird, sondern, dass sie eine Chance nutzen konnte, es noch einmal miteinander zu versuchen.
„Hätten die Betreuer mir damals keine Chance gegeben, dann wäre ich mit meiner Familie nicht so weit gekommen wo ich jetzt stehe. Ich habe gelernt, mit meinen Kindern zu arbeiten und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Wir haben die Chance bekommen, eine richtige Familie zu werden und das werden wir auch weiterhin sein – auch wenn wir nicht zusammenleben werden. Man lernt hier viel für´s weitere Leben und deshalb sollte man sich nicht schämen. Auch im weiteren Leben immer den Kopf heben, die Augen gerade aus und sehen, wie sieht die Zukunft aus. “ (Frau F., drei Kinder, Gästebuch Familienbande)
Dass der Familienintegrative Ansatz den Zahn der Zeit trifft, erleben wir täglich in unserer Arbeit mit den Familien, aber auch anhand der großen Nachfrage durch die Jugendämter. Derzeit entwickelt das Kinderhaus Berlin – Mark Brandenburg e.V. daher ein weiteres Familienintegratives Projekt im Bezirk Wedding – SindBad 63.
Kinderhaus Berlin – Mark Brandenburg
FAMILIEN-INTEGRATIVES PROJEKT “FAMILIENBANDE”